Stargordt (Starogard Lobeski)/07. Herrenhaus: Baugeschichte und Architektur: Unterschied zwischen den Versionen

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Wie bereits beschrieben, war Adrian Bernhard Graf von Borcke die Karriereleiter unter König Friedrich Wilhelm I. aufgestiegen und zu hohem Ansehen gekommen. Aus Repräsentationszwecken und auch „zu Ehren der Familie“<ref>Vgl. Borcke, Stargordt, S. IV.
[https://www.wikidata.org/wiki/Q372632 Adrian Bernhard von Borcke] (1668–1741) (Abb. 19) war unter König Friedrich Wilhelm I. (1688–1740) die Karriereleiter heraufgestiegen und zu hohem Ansehen gekommen. Aus Repräsentationszwecken und auch „zu Ehren der Familie“<ref>Vgl. Sello 1912, S. 120.</ref> entschloss sich von Borcke 1717 ein schlossartiges Herrenhaus zu errichten.<ref>Von dem laut einer Urkunde 1602 entstandenen Vorgängerbau, der von Landrat Andreas von Borcke (1568–1651) errichtet wurde, ist das Aussehen nicht bekannt, vgl. Borcke 2013, S. III.</ref> Als Standort wählte er das Dorf Stargordt (Abb. 3), welches verkehrsgünstig inmitten seines Grundbesitzes an der Kreuzung der Landstraßen von Labes (heute Lobez) und Schivelbein (heute Swidwin) nach Regenwalde (heute Resko) führte. Das Bauwerk sollte "zu den hervorragenden Beispielen ländlicher Schlossbaukunst der Zeit"<ref>Vgl. Borcke 2013, S. IV.</ref> gehören (Abb. 4). Durch Lieferungen von Eichenholz für die Errichtung des Treppenhauses sowie des Dachstuhls unterstützte König Friedrich Wilhelm I. den Bau. Zudem schenkte er Borcke verschiedene Ausstattungsgegenstände für die Ausschmückung der Räume.<ref>Vgl. Borcke 2013, S. IV.</ref>
</ref>entschloss sich Borcke ein Schloss zu errichten. Als Standort wählte er das Dorf Stargordt (Abb. 6), welches verkehrsgünstig inmitten seines Grundbesitzes an der Kreuzung der Landstraßen von Labes (heute Lobez) und Schivelbein (heute Swidwin) nach Regenwalde (Resko) führte. Das Bauwerk sollte zu den hervorragenden Beispielen ländlicher Schlossbaukunst der Zeit gehören. Durch Lieferungen von Eichenholz für die Errichtung des Treppenhauses sowie des Dachstuhls unterstützte der König den Bau. Zudem schenkte er Borcke verschiedene Ausstattungsgegenstände für die Ausschmückung der Räume.<ref>Vgl. Ebd. S. IV.
</ref>


Bernoulli schreibt in seiner Reisebeschreibung „dem schönen, nach der neuern Bauart aber dauerhaft ausgeführten Landhause ist allerley der Aufmerksamkeit werth“<ref>Vgl. Bernoulli, S. 73.
Johann Bernoulli (1744–1807) schreibt in seiner Reisebeschreibung „dem schönen, nach der neuern Bauart aber dauerhaft ausgeführten Landhause ist allerley der Aufmerksamkeit werth.“<ref>Vgl. Bernoulli 1779, S. 73.</ref> Wer das Herrenhaus entworfen hat, ist bisher nicht bekannt. Wulf-Dietrich von Borcke vermutet, dass es sich aufgrund der Art und Weise der Gestaltung nicht ein aus dem Maurerhandwerk hervorgegangener Landbaumeister war, sondern ein am preußischen Hof beschäftigter Architekt.<ref>Vgl. Borcke 2013, S. IV.</ref> [https://www.wikidata.org/wiki/Q75366154 Hubertus Neuschäffer] spricht allerdings von einem holländischen Baumeister.<ref>Vgl. Neuschäffer 1993, S. 231. So lautet auch die Familienüberlieferung lt. Borcke 1938, S. 58.</ref> Vermutlich ist das ein Irrglaube, da die ‚holländisch‘ anmutenden An- und Umbauten vorwiegend erst im 19. Jahrhundert stattfanden.<ref>Etwa der hofseitige Giebel wurde erst 1840 erbaut.</ref> Der in den 1770er Jahren fertiggestellte Plan (Abb. 8) mit dem Grundriss des Hauses legt die Vermutung nahe, dass das Herrenhaus von Anfang an nicht als isolierter Bau, sondern als Teil einer größeren, um eine Hauptachse gruppierten einheitlichen Gutsanlage geplant war.<ref>So auch Borcke 2013, S. IV.</ref>
</ref>.


Wer das Haus entworfen hat, ist bisher nicht bekannt. Wulf-Dietrich von Borcke vermutet, dass es sich aufgrund der Art und Weise der Gestaltung nicht ein aus dem Maurerhandwerk hervorgegangener Landbaumeister war, sondern ein am preußischen Hof beschäftigter Architekt.<ref>Vgl. Borcke, S. IV.
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</ref>[[wikidata:Q75366154|Hubertus Neuschäffer]] spricht allerdings von einem holländischen Baumeister. <ref>Vgl. Neuschäffer, Schlösser und Herrenhäuser in Hinterpommern, S.231.
Datei:Abb. 4 Alexander Duncker, Stargordt, Herrenhaus, Ansicht Hofseite, 1861.webp|<small>Abb. 4 Alexander Duncker, Stargordt, Herrenhaus, Ansicht Hofseite, 1861<small>
</ref>Meiner Meinung nach ist das ein Irrglaube, da die holländisch anmutenden An- und Umbauten vorwiegend erst im 19. Jahrhundert stattfanden. Der in den 1770er Jahren fertiggestellte Plan (Abb. 7) mit dem Grundriss des Schlosses legt die Vermutung nahe, dass das Schloss von Anfang an nicht als isolierter Bau, sondern als Teil einer größeren, um eine Hauptachse gruppierten einheitlichen Gutsanlage geplant war. Die Anfahrt zum Schloss verläuft laut diesem Plan über den Gutshof, den eigentlichen Mittelpunkt des Gutsbetriebes. Dieser Patz wird durch drei Seiten durch Ställe, Scheunen und Werkstätten begrenzt und ist zum Schloss hin offen. Rechts und links des Schlosses gab es zwei Flügel als Wohn- und Wirtschaftsgebäude zur Unterbringung von Bediensteten und Wirtschaftszwecke. An den Seiten der Gutsanlage waren weitere Wirtschaftsgebäude sowie Obst- und Gemüsegärten vorgesehen. Hinter dem Schloss erstreckte sich ein nach französischem Stil streng symmetrisch angelegter Barockgarten auf fast quadratischem Grundriss. Von hier aus führte eine Mittelachse in den Park hinein, an dessen Ende sich drei Fischteiche befanden, die aus einer Quelle mit Wasser versorgt wurden.
Datei:Abb. 8A Stargordt, Lageplan "Grundriss des Hochgrätlichen v. Borcke Rittersitzes zu Stargordt", um 1770, Detail A.webp|<small>Abb. 8A Stargordt, Lageplan "Grundriss des Hochgräflichen v. Borcke Rittersitzes zu Stargordt", um 1770, Detail A<small>
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Das Hauptgebäude des Schlosses (1717-1721) zeigt sich in seiner frühesten Ansicht auf einer Lithographie von [[wikidata:Q72963|Alexander Duncker]] 1861 (Abb. 8).<ref>Duncker, Alexander, Ländliche Wohnsitze, Schlösser und Residenzen der ritterschaftlichen Grundbesitzer der preußischen Monarchie, Digitalisierung Berlin 2006.
Die Anfahrt zum Herrenhaus verläuft laut diesem Plan (Abb. 8, 8A) über den Gutshof, den eigentlichen Mittelpunkt des Gutsbetriebes. Dieser Platz wird durch drei Seiten durch Ställe, Scheunen und Werkstätten begrenzt und ist zum Hauptgebäude hin offen. Rechts und links des Herrenhauses gab es zwei Flügel als Wohn- und Wirtschaftsgebäude zur Unterbringung von Bediensteten und Wirtschaftszwecke (vgl. [https://wb.manorhouses.tibwiki.io/wiki/Stargordt/10._Wirtschaftsgebäude 10. Wirtschaftsgebäude]). An den Seiten der Gutsanlage waren weitere Wirtschaftsgebäude sowie Obst- und Gemüsegärten vorgesehen. Hinter dem Hauptgebäude erstreckte sich ein nach französischem Stil streng symmetrisch angelegter Barockgarten auf fast quadratischem Grundriss. Von hier aus führte eine Mittelachse in den Park hinein, an dessen Ende sich drei Fischteiche befanden, die aus einer Quelle mit Wasser versorgt wurden (vgl. [https://wb.manorhouses.tibwiki.io/wiki/Stargordt/09._Garten_und_Park 09. Garten und Park]).<ref>Vgl. Borcke 2013, S. IV–V.</ref>
</ref>Hier sieht man die dem Hof zugewandte Barockfassade mit neun Achsen, zweigeschossig und mit Mansardenwalmdach. Der dreiachsige Mittelrisalit hat eine Pilastergliederung (ab 1840 erhebt sich hier ein Volutengiebel, der darin eingelassene Wappenstein der von Borckes trägt die Jahreszahl 1840, Abb. 9), die Seitenrisalite sind einachsig., die hohen Fenster jeweils von Kolossalpilastern flankiert. Das Hauptportal wird von Doppelpilastern geschmückt, das obere Fenster erhielt hier eine Muschelbekrönung. Mittel- und Seitenrisalit werden oberhalb durch ein leicht vorgezogenes Dach mit Mansardenfenstern abgeschlossen. Die Gartenfassade war ähnlich der Hofseite gestaltet (Abb. 10), jedoch besaß der Mittelrisalit einen kräftigeren Vorsprung (meines Erachtens ist nicht ganz gewiss, ob der holländisch anmutende Voluten-Giebel zur Parkseite aus dieser Zeit stammt oder ebenfalls im 19. Jahrhundert gebaut wurde). Der Mittelrisalit wurde durch eine Terrasse abgeschlossen (Abb. 11) Von hier führte eine Treppe hinunter in den Park.


Der Grundriss des Schlosses betrug laut Wulf-Dietrich von Borcke 32,90 x 13,70 m (Abb. 12).<ref>Borcke, S. V.
Das Hauptgebäude der Anlage, das von 1717 bis 1721 erbaut wurde,<ref>Vgl. Borcke 2013, S. IV. Bethe 1938, S. 137 gibt als Bauzeit 1717–1721 an.</ref> zeigt sich in seiner frühesten Ansicht auf einer Lithographie von [https://www.wikidata.org/wiki/Q72963 Alexander Duncker] 1861 (Abb. 4).<ref>Vgl. Duncker, Bd. 5, Berlin 1862–1863, https://digital.zlb.de/viewer/image/14779821_05/127/LOG_0037/ (12.02.2025).</ref> Hier sieht man die dem Hof zugewandte Barockfassade mit neun Achsen, zweigeschossig und mit Mansardenwalmdach. Der dreiachsige Mittelrisalit hat eine Pilastergliederung. Ab 1840 erhebt sich dort ein Volutengiebel, der darin eingelassene Wappenstein der von Borckes trägt die Jahreszahl 1840 (Abb. 21).<ref>So auch Borcke 2013, S. VI.</ref> Die Seitenrisalite sind einachsig, die hohen Fenster jeweils von Kolossalpilastern flankiert. Das Hauptportal wird von Doppelpilastern geschmückt, das obere Fenster erhielt hier eine Muschelbekrönung. Mittel- und Seitenrisalit werden oberhalb durch ein leicht vorgezogenes Dach mit Mansardenfenstern abgeschlossen. Die Gartenfassade war ähnlich der Hofseite gestaltet (Abb. 22), jedoch besaß der Mittelrisalit einen kräftigeren Vorsprung.<ref>Meines Erachtens ist nicht ganz gewiss, ob der 'holländisch' anmutende Voluten-Giebel zur Parkseite aus dieser Zeit stammt oder ebenfalls im 19. Jahrhundert gebaut wurde.</ref> Der Mittelrisalit wurde durch eine Terrasse abgeschlossen (Abb. 23). Von hier führte eine Treppe hinunter in den Garten und Park.
</ref>Die Räume des Erdgeschosses waren durch zwei Achsen, sogenannten Enfiladen, miteinander verbunden. Von der Eingangshalle führte eine schwere, aus Eichenholz gezimmerte Treppe mit derb geschnitzten flachen Balustern in drei Läufen durch die Geschosse (Abb. 13). Im Obergeschoss befand sich der Festsaal (Abb. 14).
 
Es werden finanzielle und betriebswirtschaftliche Gründe gewesen sein, die den Idealentwurf von 1778 nicht ganz zu seiner Ausführung gebracht haben. Es ist allerdings bekannt, dass Heinrich Adrian Graf von Borcke den Hauptbau des Schlosses 1741 durch den Anbau von zwei zweigeschossigen Seitenflügeln in Fachwerk erweitern ließ, die durch eingeschossige Verbindungstrakte mit dem Hauptbau verbunden waren.<ref>Sello nennt die Jahreszahl 1741, Duncker das Jahr 1742 und Lemcke 1743. Auslöser war aber in jedem Fall der Tod des Vaters und der Übergang des Schlosses in die Hand des Sohnes.
</ref> So entstand durch die neu geschaffene Dreiflügelanlage dem Charakter nach eine Maison de Plaisance. Kurz darauf werden die Wirtschaftsgebäude davor und westlich davon erbaut, die auch bereits auf dem Urmesstischblatt von 1834 zu erkennen sind.
 
Der Schweizer Reiseschriftsteller Johann Bernoulli besuchte auf seinen Reisen zu den hinterpommerschen Gütern zwischen 1777 und 1778 auch Stargordt und berichtet: „In dem schönen, nach der neueren Bauart aber dauerhaft aufgeführten Landhaus ist allerley der Aufmerksamkeit werth. Von den brüsseler und berliner Hautelissetapeten, von reichen chinesischen Tapeten will ich nicht viel Worte machen; hingegen von Gemälden kann ich nicht umhin, etwas mehr zu sagen. Die Wände der Treppe und des oberen Flures sind mit Gemälden behangen, die ziemlich gut sind und die alte Geschichte betreffen; sie kommen aus dem herzoglichen Schloss zu Wolgast her, wo sie die Decke eines Saales zierten.“<ref>Vgl. Bernoulli, S. 73.
</ref>Nachfolgend hielt sich Bernoulli längere Zeit vor dem Gemälde der „unglücklichen und sehr berüchtigten“ [[wikidata:Q77264|Sidonia von Borcke]] (Abb. 15)<ref>Doppelportrait der Sidonia von Borcke in der Jugend und im Alter, Öl auf Holz, 65 x 42 cm, seit 1945 verschollen.
</ref> auf, die der Sage nach wegen verschmähter Liebe eines der Fürstensöhne durch ihre Zauberkunst den Untergang des pommerschen Herzoghauses herbeigeführt haben soll und deshalb 1620 den Tod auf dem Scheiterhaufen erleiden musste.<ref>Sidonia von Borcke (1548-1620) war eine unverheiratete Tochter von Otto von Borcke zu Stramehl-Regenwalde (gest. 1551). Sie prozessierte gegen ihren Bruder und Herzog Johann Friedrich um selbst über ihr väterliches Erbe verfügen zu dürfen, was ihr als Frau versagt blieb. Noch dazu übte sie vielerlei Kritik und zeigte Misstände auf, was ihr als Zänkerei, Klatschsucht und Händel ausgelegt wurde. Nach dem Tode ihres Bruders Ulrich 1603 trat sie in das evangelische Jungfrauenstift Kloster Marienfließ ein. Dort fügte sie sich nicht in die strenge Klosterordnung und geriet in Streit mit den übrigen Klosterfrauen. Auch hier strebte sie bei Herzog Bogislaw XIII. ein Verfahren gegen die Priorin an. Der Streit wendete sich nach Jahren gegen sie selbst, als Klosterfrauen sie der Hexerei beschuldigten. 1619 wurde sie festgenommen und unter Folter befragt, unter den Schmerzen gestand sie alle (wahrhaftig teilweise absurden) Anschuldigungen, die sie später widerrief, durch erneute Folter aber zum zweiten Mal zum Geständnis gezwungen. Schließlich wurde sie in einem Hexenprozess am 1. September 1620 zum Tode verurteilt und in Stettin mit dem Schwert hingerichtet und anschließend auf dem Scheiterhaufen verbrannt. In Sage, Dichtung und Malerei blieb das Schicksal der Sidonia von Borcke stets lebendig, oftmals verklärt und romantisiert. Als weiße Frau spuke sie im Stettiner Schloss, Romane wie „Die Klosterhexe“ (1849, von Oscar Wildes Mutter Jane Francesca Elgee übersetzt) erschienen und der Präraffaelit Edward Burne Jones (1833-1898) malte zwei Gemälde von ihr, die in der Tate Gallery in London ausgestellt werden.
</ref> Bernoulli beschreibt weiter, dass „in den Zimmer sind, nebst einigen andern guten Gemälden, Porträte, theils von fürstlichen Personen, theils von dem seit uralten Zeiten glänzenden Geschlechte der Borcken in großer Anzahl zu sehen (Abb. 16)“. Hier erwähnt er ein Portrait einer preussischen Prinzessin und ordnet es Johann Friedrich August Tischbein<ref> 1750-1812.
</ref> zu. Es wird sich hier wohl um das Gemälde im Gartensaal über der mittleren Flügeltür gehandelt haben.
 
„Weit merkwürdiger als die Malereyen“, berichtet Bernoulli weiter, war „die vortreffliche Büchersammlung, der vielleicht wenige Privatbibliotheken gleich geschätzt werden können und worin man insonderheit einen reichen Schatz von kostbaren Werken zur Historie und Naturgeschichte findet…Ich habe in der Bibliothek des Generals von Borcke eine große Menge der schönen illuminierten Kupferstichwerke von der Naturgeschichte angetroffen.“<ref>Vgl. Bernoulli, S. 77.
</ref> Unter anderem erwähnt Bernoulli hier die Pariser Sammlung der Arts & Metiers und sein eigenes Werk „Reise durch Deutschland“, außerdem historische Werke, eine große Menge an Reisebeschreibungen, „Histoires und Memoires“, den Montfaucon, das „prächtige Werk des Marsigli“, die „Bibliothek des Don Quixote“ etc.<ref>Vgl. Bernoulli, S. 78
</ref>. Die Bibliothek nahm damals einen „schönen, aber leider sehr feuchten Saal des Bodengeschosses, gegen den Garten“ ein. Graf Borcke betrieb die Naturwissenschaft, das Sammeln von Insekten und Schmetterlingen, offenbar als Hobby und Bernoulli berichtet von der Gewohnheit „microscopischer Beobachtungen“.<ref>Vgl. Bernoulli S. 80.
</ref>
 
Die Eingangshalle wurde von zwei prächtigen Danziger Barockschränken geschmückt (Abb. 17, 18, 19, 20 und 21). Acht farbenprächtige flämische Gobelins mit Szenen aus der antiken Mythologie in Anlehnung an Ovids Metamorphosen<ref>Vgl. Borcke, S. VI.
</ref> schmückten die Wände verschiedener Räume, jeweils 8 x 4 m und 4 x 1,40 m (Abb. 22-29). Auch diese waren ein Geschenk Friedrich Wilhelms I. Im Festsaal, der sich im oberen Stockwerk<ref>Über das obere Stockwerk ist keine Zimmereinteilung bekannt, der Festsaal lag allerdings größengleich über dem Gartensaal.
</ref>über dem Gartensaal befand, existierte eine im Stil des Rokoko mit Schäferszenen bemalte Leinwand, die die Wände zierte (siehe Abb. 14).
 
Die meisten Räume waren mit Möbeln des 19. Jahrhunderts ausgestattet, vor allem die typischen weißen Gebrauchsmöbel im Empirestil, die man bereits damals per Katalog bestellen konnte. Um sie herum gruppierte sich eine Fülle älterer Stilepochen (Abb. 30-38).
 
Unter den Gemälden sind vier zur Ahnengalerie gehörende, vom preußischen Hofmaler [[wikidata:Q203758|Antoine Pesne]]<ref>1683-1757, seit 1722 Direktor der Berliner Kunstakademie.
</ref> geschaffene Portraits besonders erwähnenswert, eins davon das Bildnis des Grafen Heinrich Adrian, seiner Gemahlin [https://gw.geneanet.org/cvpolier?lang=en&n=von+brand&p=helene+wilhelmine+henriette Wilhelmine Henriette], geborene von Brandt, und ihres neunjährigen Sohnes [https://gw.geneanet.org/cvpolier?lang=en&n=von+borcke&oc=0&p=friedrich+heinrich+christian Friedrich Heinrich Christian] aus dem Jahr 1753 (Abb. 39). Bekannt ist außerdem eine Spiegeluhr (Abb. 40), ein Geschenk Friedrich Wilhelms II.
 
Ein großes Glück ist es, dass die Fotografin [https://www.pommerscher-greif.de/tag/oswald-ruperti/ Alice O’Swald-Ruperti]<ref>1904-1989, war eine in Hamburg aufgewachsene Fotografin, die vor allem wegen der Dokumentation ihrer Heimatstadt Hamburg bekannt war. Ihr Vater Ernst Ruperti betrieb ein Handelshaus für Baumwolle in Moskau. 1917 musste die Familie wegen der Revolution Russland verlassen, der Vater enteignet. 1929 heiratete sie in Pommern Justus O’Swald, der dort die Verwaltung eines Gutshauses übernahm. Wochenlang hat sie Pommern schon damals bereist und fotografiert. Anfang der 40er Jahre ahnte die junge Frau bereits, welches Schicksal Schlössern und Gütern bevorstehen sollte, so schickte sie einen Koffer voll mit Fotografien Richtung Hamburg. Direkt nach dem Krieg forografierte O’Swald wieder, einige Filme hatte sie retten können. Nebenbei arbeitete sie Anfang der 50er Jahre in einer Tankstelle, ihr Mann war durch den Krieg arbeitsunfähig geworden. Glückllicherweise konnte die umtriebige Fotografin bald von ihrer Kunst leben, sie machte zahlreiche Aufnahmen von Hamburger Villen, dem Rathaus und Blankenese. Es folgten weitere Bücher und Kalender, für die sie im Auftrag der großen Reedereien fotografierte. In den 70er Jahren entdeckte sie das Interesse zu ihrem Geburtstland Russland und fotografierte hinter dem Eisernen Vorhang Museen, Klöster und Ikonen. Die Filme schmuggelte sie heimlich in ihren Schuhabsätzen außerhalb des Landes.
</ref>1944, vielleicht in weiser Vorahnung, das Schloss mit seinen Innenräumen ausführlich dokumentierte. So blieben uns zahlreiche Fotografien des Schlosses erhalten. Ihre Aufnahmen zeugen zusammen mit weiteren Abbildungen davon, wie prachtvoll Schloss Stargordt eins von innen und außen ausgesehen hat.
 
====Die Entwicklungen von Stargordt im 19. Und 20. Jahrhundert====
 
Als Philipp Heinrich Gustav Graf von Borcke<ref>1829-1916, verheiratet mit Magdalene, Gräfin von Lehndorff (1836-1917).
</ref> nach dem Tode seines Vaters Ernst Theodor Graf von Borcke Stargordt 1848 übernahm<ref>Das sogenannte Ältere Haus Stargordt war mit Heinrich Adrian und seinem Sohn Friedrich Heinrich (1744-1790) im Jahre 1790 erloschen, der nur eine Tochter hinterließ.
</ref>, kam es zu den ersten Veränderugen der Schlossanlage. Philipp von Borcke war königlich-preußischer Schlosshauptmann von Stettin und Mitglied des preußischen Herrenhauses auf Lebenszeit.<ref>Vgl. Gothaisches Genealogisches Taschenbuch, Gräfliche Häuser 1917, S. 139-140.
</ref>Ausreichende finanzielle Mittel und auch ausgeprägtes Standesbewußtsein veranlassten ihn zu mehr Repräsentation. Wie man auf der Duncker-Ansicht von 1861 (siehe Abb. 9) erkennen kann, verschwinden zu dieser Zeit die Wirtschaftsgebäude vor und seitlich des Schlosses. Außerdem wurde vor dem Schloss ein Rasenrondell angelegt und der eigentliche Gutshof auf ein freies Grundstück östlich des Schlosses verlagert. Die zweigeschossigen, 1741 errichteten Flügelbauten an den Seiten des Schlosses erhielten jeweils durch einen quergestellten Anbau am südlichen Ende einen L-förmigen Grundriss. Mitte des 19. Jahrhunderts wurden für die Zeit typische neogotische turmähnliche Abschlüsse auf die Enden gesetzt. Einer davon, auf der Westseite, ist noch heute erhalten. Das Messtischblatt von 1891 (Abb. 41) zeigt, dass Graf Borcke am Ende des 19. Jahrhunderts den zwischen dem Verbindungstrakt zum Hauptgebäude und dem Quergebäude befindlichen langen Teil des Ostflügels abreißen ließ, womit er die Symmetrie der Schlossanlage zerstörte. Zu dieser Zeit erhielt das Schloss an der Westseite einen zweigeschossigen Neubau über quadratischem Grundriss mit einem Pyramidenwalmdach. Form und Stil des Anbaus sind dem Hauptbau angepasst (Abb. 42). Ob ein baugleicher Anbau auf der Ostseite vorgesehen war, ist nicht bekannt.
 
Im Rahmen dieser Aus- und Umbauten wurde, vielleicht zur stärkeren Betonung des Schlosscharakters, vielleicht aber auch nur aufgrund modischer Trends und persönlicher Vorlieben, der Mittelrisalit des Hauptbaus umgebaut, der Giebel erhielt eine geschweifte Form im Stil des Neobarock mit einem eingefügten Wappenstein mit dem gräflich-von Borcke’schen Wappen und der Jahreszahl MDCCCXL (1840, dem Datum der Erhebung des „Jüngeren Hauses Stargordt“ in den Grafenstand).
 
1926 gelangte das Schloss an Henning Adrian Graf von Borcke<ref>1897-1968, Ehemann von Hanneliese von Zitzewitz (1900-1990)
</ref>, der das etwas vernachlässigte Schloss nach 1930 außen und innen mit großzügiger finanzieller Hilfe des Staates renovieren und restaurieren ließ.<ref>Borcke, S. VI.
</ref>Der noch immer vorhandene östliche eingeschossige Verbindungstrakt des östlichen Quergebäudes wurde wegen Baufälligkeit abgerissen. Der Abschlussbau blieb zwar erhalten, wurde aber verändert: der neogotische Aufbau verschwand und wurde durch ein Pyramidendach ersetzt (Abb. 43). Außerdem wurde ein zweigeschossiges Gebäude, ebenfalls mit Pyramidendach, angebaut, durch einen einstöckigen Trakt verbunden (Abb. 44-45). Zur Landstraße hin grenzte eine Mauer mit aufgesetztem Lattenzaun das Areal ab. Dem Besucher bot sich hier eine eindrucksvolle Schlossfassade mit Rasenrondell mit einer Kanone in der Mitte, einem Geschenk König Friedrich Wilhelms I. an Graf Adrian Bernhard von Borcke (Abb. 46).
 
====Der Garten====
 
Der zum Schloss gehörende Park zählte zu den bekanntesten und bedeutendsten Anlagen in Hinterpommern. Im Gegensatz zu vielen anderen Anlagen wurde er bereits in den 1970er Jahren dokumentiert.<ref>Stanecka, S. 324.
</ref>Er wurde wohl zwischen 1755 und 1760 durch Heinrich Graf von Borcke angelegt. Reiseschriftsteller Bernoulli schreibt: „Die schöne Witterung lockte mich schon ganz frühe in den prächtigen Garten des Schlosses. Einen schönern und angenehmern wird man, insonderheit hier zu Lande, nicht leicht finden;…, die Neuheit des Anblicks war ein desto größerer Reiz für mich. Man stelle sich vors erste ein Parterre von mittelmäßiger Größe vor, in Form einer Rennbahn der Alten, simpel und ohne abentheuerliche Zierrathen, mit einem leichten und doch hohen Bogengang, von Taxusbäumen<ref>Eiben.
</ref>, und jenseits des Raumes für die Spaziergänge mit hohen und dichten Bäumen und Büschen umgeben. Von der Spitze dieses Amphitheaters geht eine schmale gerade Allee, die an einem grünen Salon endet, in welchem zum Gesichtspunkt der Allee ein ebenso geschmackvolles und ehrwürdiges Grabmal steht.“<ref>Vgl. Bernoulli, S. 70.
</ref>Im Jahre 1772 ließ Graf Borcke zum Andenken an seine 1770 verstorbene Gemahlin am Ende der von der Schlossmitte ausgehenden Mittelallee einen Obelisk (Abb. 47) als point de vue errichten.<ref>Auf einer Unterschrift des daran befestigten Bronze-Reliefportraits war zu lesen: Helene Wilh.Henr.Gr.v.Borcke, geb.v.Brandt. Zum Andencken der besten der Frauen setzte dieses Heirich.Adr.Gr.v.Borcke. Sie war geb.d.XX.Mey.MDCCVIII.Gestr.d.XI.Mey.MDCCLXX.
</ref>Bernoulli weiter: „Ihr Bildnis in einem von Meyer<ref>Friedrich Elias Meyer der Ältere 1723-1785 oder sein jüngerer Bruder Wilhelm Christian Meyer (1726-1786).
</ref>in Berlin sehr gut gearbeiteten Medaillon von Erz ziert eine edle, auf einem Piedestal ruhende Pyramide.“ Der Obelisk ist heute noch vorhanden, das Medaillon und die Inschrift fehlen bzw. sind zerstört. Alleine die Einrahmung ist noch vorhanden. Insgesamt ist das Grabmahl aber in einem sehr schlechten Zustand (Abb. 48).<ref>Frühling 2023.
</ref>Bernoulli fährt fort: „Auf beiden Seiten des Parterres und der gedachten Allee herrschen eine Menge schöner Partien; breite und schmale, bedeckte und unbedeckte Alleen, Boskette, kleine grüne Säulen, Tempel, Rasenplätze; Küchengärten usw. Wem Unregelmäßigkeit lieber ist, dem wird der hintere Garten noch besser gefallen.“ Wie schon seit Anfang des 18. Jahrhunderts in England, so hat sich seit der Jahrhundertmitte auch in Deutschland die Mode und der Geschmack den Garten betreffend gewandelt. Der Zähmung der Natur und der Wirklichkeit entrückten Naturempfinden des Rokoko trat im nördlichen, noch weitestgehend im Naturzustand befindlichen Teil des Parks der englische Landschaftspark entgegen. Hierzu schreibt Bernoulli: „Die zuerst gedachte Allee geht zwar hinter dem schönen Denkmal noch etwa einhundert Schritte geradeaus; allein auf beiden Seiten nehmen eine Menge krumm laufende Gänge, die mit Teichen, Eremitagen, Inseln und schönen Aussichten nach dem Felde abwechseln, eine große Strecke ein. Ich war schon eine geraume Zeit in dieser reizenden Wildnis herumgeirrt, ohne mich auf einer der vielen Bänke niederzulassen, als ich mich unversehens auf einer nur mit einem kleinen Bache umflossenen Insel befand, wo die unter einem einsamen Baume stehende Bank das Geräusch eines nahe dabei unter großen Steinen hervorströmenden Wasserfalls und die stille Aussicht nach dem mit Waldung und einigen Häusern gekrönten Felde mich unwiderstehlich einer nachdenklichen Ruhe anlockte.“<ref>Vgl. Bernoulli, S. 72.
</ref>Die Insel wurde Professoreninsel genannt, nach Johann Georg Sulzer<ref>Ab 1775 wurde er Direktor der philosophischen Klasse der Akademie der Wissenschaften in Berlin.
</ref> (1720-1779), einem Schweizer Theologen und Philosophen der Aufklärung, der laut Landsmann Bernoulli die Steine rund um den kleinen Wasserfall zusammengetragen hatte.
 
Auf dem sehr detailreichen Plan, den Bernoulli seinen Ausführungen beigefügt hat<ref>Wer der ausführende Künstler war, ist nicht bekannt.
</ref>, ist zu erkennen, wie genau durchgeplant der Garten ist. Die nie ausgeführten Torhäuser am südlichen Ende des Plans werden durch Küchengärten gesäumt, die offensichtlich mit Obstbäumchen eingerahmt werden. Kurze Zeit später befinden sich dahinter auf der linken Seite Felder mit Klee und weiteren Futterpflanzen sowie den Paddocks für die Vollblupferde. Es ist also kein Zufall, wie die Gärten auf diesem Idealplan angeordnet sind: es wird Bezug genommen zwischen Nutzen und Zierde. Diese Auffälligkeit gab es in Mecklenburg und Vorpommern sowie in Schleswig-Holstein auch bereits im 18. Jahrhundert.<ref>Auf einem Plan des Gutes Emkendorf in Schleswig-Holstein ist dies auch zu erkennen.
</ref>Auch im hinteren Bereich des Gartens, über die Boskette mit den nie ausgeführten Wasserbassins und den Parterres hinaus, erfährt man diesen Zusammenklang. Die streng symmetrische Form des französischen Gartens wird wortwörtlich im zweiten Boskett auf die Spitze getrieben, der bisher quadratische Grundriss des Gartens verändert sich zu einem Dreieck, dessen Spitze im Denkmal-Obelisken mündet. Den Übergang bildet an seiner Basis ein kleines (auch nie ausgeführtes) Amphitheater. Damit endet der übersichtliche „helle“ Teil des Boskett-Gartens und verwandelt sich in einen dunkleren, verwunschenen Teil, der deutlich stärker mit Bäumen durchsetzt ist als zuvor. Allerdings darf man hier keinen Wald wie im 19. Jahrhundert erwarten, vielmehr waren es in Reih und Glied gesetzte Bäume,<ref>Wohl einige Koniferen und beschnittene Laubbäume.
</ref>die diesen Eindruck vermitteln sollten.
 
Auf beiden Seiten des Parks haben wir Nutzflächen mit Futterpflanzen. Die Vorbilder hierfür sind sicher in England zu finden, wo die “Walled Gardens“ oftmals direkt an Orangerien oder Ziergärten angegliedert und teilweise auch durchmischt wurden.
 
Schließlich, im hinteren, nun nicht mehr symmetrischen Teil des Gartens, können wir einen dichten Bewuchs von Sträuchern und Bäumen erkennen. Eine reiche Zahl von verschlungenen Wegen führt hindurch zu einer Einsiedelei (D), womöglich ein Borkenhaus. Dies ist insofern auch bemerkenswert, da ein dicht bewachsener Wald mit hohen und älteren Bäumen ein Luxus war, den sich nicht jeder leisten konnte. Der hohe Bedarf an Holz hatte vielen Bäumen in Pommern im 18. Jahrhundert den Garaus gemacht und so war es etwas Besonderes, sich solch ein Terrain im Park halten zu können. Zeitgenossen wie Bernoulli wussten dies sicher einzuordnen.
 
Im hintersten Bereich des Idealplans erkennen wir die Karpfenteiche (H) mit Insel und Eiskeller. Umstanden wird das Gebiet mit einer Allee mit Laubbäumen.
 
Abschließend ist zu bemerken, wie kunstvoll der Garten von Stargordt angelegt wurde und mit welcher Raffinesse die einzelnen Bereiche miteinander verquickt werden.
 
Der Bedeutung des Gartens scheinen die Vertreter des Jüngeren Hauses Stargordt (Philipp Karl Ludwig von Borcke) weniger Gewicht zuteil kommen zu lassen. Es gibt jedenfalls keine Überlieferungen, dass sich in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts etwas an Erhaltung und Pflege des Gartens getan hätte, jedenfalls wurde darüber nicht berichtet. Bekannt ist allerdings, dass eine Kastanienallee auf der Ostseite hinzugekommen sein muss. Erst Philipp Heinrich Gustav Graf von Borcke beauftragte Ende des 19. Jahrhunderts einen Gartenarchitekten mit der Anfertigung eines Gestaltungsplans. Dieser schlug vor, alle geraden Wege und Linien zu beseitigen und das Wegenetz „naturgerechter“ anzulegen. Dies scheiterte jedoch am Widerstand der Schlossherrin Magdalene, geborene von Lehndorff.<ref>Borcke, Henning, S. 58-63.
</ref>Die alten Teile blieben also erhalten, wurden jedoch im Westen erheblich vergrößert und reichten nun bis an die Straße nach Alt Döberitz heran. Gestaltet wurde dieser Bereich im englischen Landschaftsstil. Hier entstanden auch Paddocks für Vollblutpferde.
 
Im 20. Jahrhundert veränderte sich auf dem nunmehr 60ha großen Schlosspark nur wenig. Der französische Garten mit seinen Parterren und Bosketten in unmittelbarer Nähe der Treppe auf der Rückseite des Hauses war wohl bereits Ende des 19. Jahrhunderts einer Rasenfläche gewichen, die aber noch von Eibenhecken eingerahmt wurden (Abb. 49). Von hier aus hatte man ursprünglich den Blick auf den Sandsteinobelisken als point de vue. Der letzte Schlossherr Henning Adrian Graf von Borcke<ref>1864-1943, er übertrug aber bereits ab 1926 seine Güter auf seinen ältesten Sohn Henning (1897-1968).
</ref>, der ein dendrologischer Liebhaber war, pflanzte gerade in dieser letzten Zeit vor 1945 eine größere Anzahl exotischer Gehölze.


Es werden finanzielle und betriebswirtschaftliche Gründe gewesen sein, die den Idealentwurf von 1778 nicht ganz zu seiner Ausführung gebracht haben. Es ist allerdings bekannt, dass [https://www.wikidata.org/wiki/Q1596513 Heinrich Adrian von Borcke] (1715–1788) (Abb. 20) den Hauptbau der Anlage 1741 durch den Anbau von zwei zweigeschossigen Seitenflügeln in Fachwerk erweitern ließ, die durch eingeschossige Verbindungstrakte mit dem Hauptbau verbunden waren.<ref>Vgl. Borcke 2013, S. V, Anm. 33. Sello 1912, nennt die Jahreszahl 1741, Duncker 1858–1883, S. W.270 das Jahr 1742 und Lemcke 1912, S. 407 1743. Auslöser war aber in jedem Fall der Tod des Vaters und der Übergang der Anlage in die Hand des Sohnes.</ref> So entstand durch die neu geschaffene Dreiflügelanlage dem Charakter nach eine ''Maison de Plaisance''. Kurz darauf werden die Wirtschaftsgebäude davor und westlich davon erbaut, die auch bereits auf dem Urmesstischblatt von 1834 zu erkennen sind (Abb. 13).
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[[Datei:Abb. 19 unbekannter Künstler, Portrait Graf Adrian Bernhard von Borcke.webp|mini|Abb. 19 unbekannter Künstler, Portrait Graf Adrian Bernhard von Borcke]]
[[Datei:Abb. 8 Stargordt, Lageplan "Grundriss des Hochgrätlichen v. Borcke Rittersitzes zu Stargordt", um 1770.webp|mini|Abb. 8 Stargordt, Lageplan "Grundriss des Hochgräflichen v. Borcke Rittersitzes zu Stargordt", um 1770]]
[[Datei:Abb. 1 Stargordt, Herrenhaus, Ansicht Gartenseite, um 1930.webp|mini|Abb. 1 Stargordt, Herrenhaus, Ansicht Gartenseite, um 1930, Archiv, Caspar-David-Friedrich-Institut, Universität Greifswald]]
[[Datei:Abb. 21 Stargordt, Herrenhaus, Giebel Hofseite, Wappenstein von Borcke, Zustand 2023.webp|mini|Abb. 21 Stargordt, Herrenhaus, Giebel Hofseite, Wappenstein von Borcke, Zustand 2023]]
[[Datei:Abb. 22 Stargordt, Herrenhaus, Ansicht Gartenseite mit Terrasse, um 1930.webp|mini|Abb. 22 Stargordt, Herrenhaus, Ansicht Gartenseite mit Terrasse, um 1930, Archiv, Caspar-David-Friedrich-Institut, Universität Greifswald]]
[[Datei:Abb. 23 Stargordt, Herrenhaus, Gartenseite, Terrassentreppe, Zustand 2023.webp|mini|Abb. 23 Stargordt, Herrenhaus, Gartenseite, Terrassentreppe, Zustand 2023]]
[[Datei:Abb. 13 Stargordt, Messtischblatt 1834, Ausschnitt.webp|mini|Abb. 13 Stargordt, Messtischblatt 1834, Ausschnitt]]
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Aktuelle Version vom 20. Mai 2025, 12:26 Uhr

Adrian Bernhard von Borcke (1668–1741) (Abb. 19) war unter König Friedrich Wilhelm I. (1688–1740) die Karriereleiter heraufgestiegen und zu hohem Ansehen gekommen. Aus Repräsentationszwecken und auch „zu Ehren der Familie“[1] entschloss sich von Borcke 1717 ein schlossartiges Herrenhaus zu errichten.[2] Als Standort wählte er das Dorf Stargordt (Abb. 3), welches verkehrsgünstig inmitten seines Grundbesitzes an der Kreuzung der Landstraßen von Labes (heute Lobez) und Schivelbein (heute Swidwin) nach Regenwalde (heute Resko) führte. Das Bauwerk sollte "zu den hervorragenden Beispielen ländlicher Schlossbaukunst der Zeit"[3] gehören (Abb. 4). Durch Lieferungen von Eichenholz für die Errichtung des Treppenhauses sowie des Dachstuhls unterstützte König Friedrich Wilhelm I. den Bau. Zudem schenkte er Borcke verschiedene Ausstattungsgegenstände für die Ausschmückung der Räume.[4]

Johann Bernoulli (1744–1807) schreibt in seiner Reisebeschreibung „dem schönen, nach der neuern Bauart aber dauerhaft ausgeführten Landhause ist allerley der Aufmerksamkeit werth.“[5] Wer das Herrenhaus entworfen hat, ist bisher nicht bekannt. Wulf-Dietrich von Borcke vermutet, dass es sich aufgrund der Art und Weise der Gestaltung nicht ein aus dem Maurerhandwerk hervorgegangener Landbaumeister war, sondern ein am preußischen Hof beschäftigter Architekt.[6] Hubertus Neuschäffer spricht allerdings von einem holländischen Baumeister.[7] Vermutlich ist das ein Irrglaube, da die ‚holländisch‘ anmutenden An- und Umbauten vorwiegend erst im 19. Jahrhundert stattfanden.[8] Der in den 1770er Jahren fertiggestellte Plan (Abb. 8) mit dem Grundriss des Hauses legt die Vermutung nahe, dass das Herrenhaus von Anfang an nicht als isolierter Bau, sondern als Teil einer größeren, um eine Hauptachse gruppierten einheitlichen Gutsanlage geplant war.[9]

Die Anfahrt zum Herrenhaus verläuft laut diesem Plan (Abb. 8, 8A) über den Gutshof, den eigentlichen Mittelpunkt des Gutsbetriebes. Dieser Platz wird durch drei Seiten durch Ställe, Scheunen und Werkstätten begrenzt und ist zum Hauptgebäude hin offen. Rechts und links des Herrenhauses gab es zwei Flügel als Wohn- und Wirtschaftsgebäude zur Unterbringung von Bediensteten und Wirtschaftszwecke (vgl. 10. Wirtschaftsgebäude). An den Seiten der Gutsanlage waren weitere Wirtschaftsgebäude sowie Obst- und Gemüsegärten vorgesehen. Hinter dem Hauptgebäude erstreckte sich ein nach französischem Stil streng symmetrisch angelegter Barockgarten auf fast quadratischem Grundriss. Von hier aus führte eine Mittelachse in den Park hinein, an dessen Ende sich drei Fischteiche befanden, die aus einer Quelle mit Wasser versorgt wurden (vgl. 09. Garten und Park).[10]

Das Hauptgebäude der Anlage, das von 1717 bis 1721 erbaut wurde,[11] zeigt sich in seiner frühesten Ansicht auf einer Lithographie von Alexander Duncker 1861 (Abb. 4).[12] Hier sieht man die dem Hof zugewandte Barockfassade mit neun Achsen, zweigeschossig und mit Mansardenwalmdach. Der dreiachsige Mittelrisalit hat eine Pilastergliederung. Ab 1840 erhebt sich dort ein Volutengiebel, der darin eingelassene Wappenstein der von Borckes trägt die Jahreszahl 1840 (Abb. 21).[13] Die Seitenrisalite sind einachsig, die hohen Fenster jeweils von Kolossalpilastern flankiert. Das Hauptportal wird von Doppelpilastern geschmückt, das obere Fenster erhielt hier eine Muschelbekrönung. Mittel- und Seitenrisalit werden oberhalb durch ein leicht vorgezogenes Dach mit Mansardenfenstern abgeschlossen. Die Gartenfassade war ähnlich der Hofseite gestaltet (Abb. 22), jedoch besaß der Mittelrisalit einen kräftigeren Vorsprung.[14] Der Mittelrisalit wurde durch eine Terrasse abgeschlossen (Abb. 23). Von hier führte eine Treppe hinunter in den Garten und Park.

Es werden finanzielle und betriebswirtschaftliche Gründe gewesen sein, die den Idealentwurf von 1778 nicht ganz zu seiner Ausführung gebracht haben. Es ist allerdings bekannt, dass Heinrich Adrian von Borcke (1715–1788) (Abb. 20) den Hauptbau der Anlage 1741 durch den Anbau von zwei zweigeschossigen Seitenflügeln in Fachwerk erweitern ließ, die durch eingeschossige Verbindungstrakte mit dem Hauptbau verbunden waren.[15] So entstand durch die neu geschaffene Dreiflügelanlage dem Charakter nach eine Maison de Plaisance. Kurz darauf werden die Wirtschaftsgebäude davor und westlich davon erbaut, die auch bereits auf dem Urmesstischblatt von 1834 zu erkennen sind (Abb. 13).

  1. Vgl. Sello 1912, S. 120.
  2. Von dem laut einer Urkunde 1602 entstandenen Vorgängerbau, der von Landrat Andreas von Borcke (1568–1651) errichtet wurde, ist das Aussehen nicht bekannt, vgl. Borcke 2013, S. III.
  3. Vgl. Borcke 2013, S. IV.
  4. Vgl. Borcke 2013, S. IV.
  5. Vgl. Bernoulli 1779, S. 73.
  6. Vgl. Borcke 2013, S. IV.
  7. Vgl. Neuschäffer 1993, S. 231. So lautet auch die Familienüberlieferung lt. Borcke 1938, S. 58.
  8. Etwa der hofseitige Giebel wurde erst 1840 erbaut.
  9. So auch Borcke 2013, S. IV.
  10. Vgl. Borcke 2013, S. IV–V.
  11. Vgl. Borcke 2013, S. IV. Bethe 1938, S. 137 gibt als Bauzeit 1717–1721 an.
  12. Vgl. Duncker, Bd. 5, Berlin 1862–1863, https://digital.zlb.de/viewer/image/14779821_05/127/LOG_0037/ (12.02.2025).
  13. So auch Borcke 2013, S. VI.
  14. Meines Erachtens ist nicht ganz gewiss, ob der 'holländisch' anmutende Voluten-Giebel zur Parkseite aus dieser Zeit stammt oder ebenfalls im 19. Jahrhundert gebaut wurde.
  15. Vgl. Borcke 2013, S. V, Anm. 33. Sello 1912, nennt die Jahreszahl 1741, Duncker 1858–1883, S. W.270 das Jahr 1742 und Lemcke 1912, S. 407 1743. Auslöser war aber in jedem Fall der Tod des Vaters und der Übergang der Anlage in die Hand des Sohnes.
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Abb. 19 unbekannter Künstler, Portrait Graf Adrian Bernhard von Borcke
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Abb. 8 Stargordt, Lageplan "Grundriss des Hochgräflichen v. Borcke Rittersitzes zu Stargordt", um 1770
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Abb. 1 Stargordt, Herrenhaus, Ansicht Gartenseite, um 1930, Archiv, Caspar-David-Friedrich-Institut, Universität Greifswald
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Abb. 21 Stargordt, Herrenhaus, Giebel Hofseite, Wappenstein von Borcke, Zustand 2023
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Abb. 22 Stargordt, Herrenhaus, Ansicht Gartenseite mit Terrasse, um 1930, Archiv, Caspar-David-Friedrich-Institut, Universität Greifswald
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Abb. 23 Stargordt, Herrenhaus, Gartenseite, Terrassentreppe, Zustand 2023
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Abb. 13 Stargordt, Messtischblatt 1834, Ausschnitt