Emkendorf/01. Einleitung: Unterschied zwischen den Versionen
Keine Bearbeitungszusammenfassung |
Marion (Diskussion | Beiträge) Keine Bearbeitungszusammenfassung Markierung: Quelltext-Bearbeitung 2017 |
||
| (35 dazwischenliegende Versionen von 3 Benutzern werden nicht angezeigt) | |||
| Zeile 1: | Zeile 1: | ||
{{DISPLAYTITLE:{{SUBPAGENAME}}}} | |||
{{#subpages:{{BASEPAGENAME}}|pathstyle=subpagename}} | |||
<div class="content"> | |||
{| | {| | ||
| | | | ||
An der alten Handelsstraße zwischen Kiel und Rendsburg, mitten in der [ | An der alten Handelsstraße zwischen Kiel und Rendsburg, mitten in der [https://www.wikidata.org/wiki/Q2564653 Region Westensee], liegt in einem Tal das bedeutende adelige [https://www.wikidata.org/wiki/Q1556913 Gut Emkendorf] (Abb. 1). Einst eine Quadratmeile umfassend, war es das größte Gut der Herzogtümer [https://www.wikidata.org/wiki/Q26167 Schleswig] und [https://www.wikidata.org/wiki/Q704288 Holstein].<ref>Vgl. Archiv Emkendorf 1995, S. 1. | ||
</ref> Über eine Linden- und Kastanienallee (Abb. 2), welche von [https://www.wikidata.org/wiki/Q11136929 Detlev von Reventlow] (1712–1783), einem der adeligen Bewohner, gegen Ende des 18. Jahrhunderts gepflanzt wurde, gelangte man, mit einem scharfen Winkel abbiegend von der Straße, in die Gutsanlage. Ab 1800 dann über einen aufgeschütteten Damm zum Herrenhaus. Vorher erreichte man das Gutsareal über einen Anfahrtsweg von der Seite aus Nortorf her. Das Dorf Emkendorf wurde als „Imekenthorp“ schon 1190 in alten Urkunden erwähnt <ref>Vgl. Archiv Emkendorf 1995, S. 1. | |||
</ref> und gehörte zu verschiedenen [https://www.wikidata.org/wiki/Q92062 „Mottenanlagen“] (Burganlagen) der Ritter von Westensee. Durch Pest und Viehseuchen wurde das Dorf jedoch noch vor 1615 vernichtet. Es bestand lange Zeit nur das Gut mit seinen Wirtschaftsgebäuden, in denen die Bediensteten wohnten und arbeiteten. Erst in der Neuzeit gruppierten sich wieder Häuser um das Gut und bildeten das „neue Dorf“ Emkendorf. | |||
Im 18. Jahrhundert prägten viele Besitzerwechsel die Bau- und Gutsgeschichte. Emkendorf war als Gut in den für den Herrenhausbau entscheidenden Jahrzehnten verpachtet oder wurde von einem weit entfernten anderen Gut aus verwaltet. Der Entschluss und Plan für Emkendorf, ein seiner Gutsgröße entsprechendes Herrenhaus zu bauen, wurde zu einer Zeit gefasst, als das Gut nicht langfristig einem Besitzer gehörte, sondern als „Kapitalanlageobjekt“ angesehen wurde. Erst sechs Jahrzehnte nach dem Planungszeitpunkt sollte das Herrenhaus als Dauerwohnsitz dienen. Der Ausbau des Herrenhauses wurde nie richtig fertiggestellt. Infolge von Geldmangel liefen die geplanten äußeren und inneren Umgestaltungen nicht gleich, sondern dauerten viele Jahre. Die Jahrzehnte, in denen nicht weitergebaut wurde, ließen das Haus altern und vieles an der Bausubstanz wurde bereits vor Fertigstellung wieder marode. | |||
Die vier Gutsbesitzerfamilien, die im 18. Jahrhundert Emkendorf besaßen, gehörten niederen bis höheren Adelskreisen an und standen überwiegend in dänischen und deutschen Staatsdiensten. Ihre Berufe, Herkunft oder Verbindungen in die Adelskreise von England, Dänemark und Hannover erklären auch, warum die große Gutsanlage in Emkendorf von ihnen erworben, vererbt oder als Geschenk übereignet werden konnte. | |||
Bis heute besteht das Herrenhaus und das Gutsareal, wie es unter der Familie Reventlow ab 1786 umgebaut wurde. Aus der Erbauungszeit um 1730 sind im Innenraum nur die barocke Stuckdecke über der klassizistisch eingezogenen Decke, der „Rote Salon“ mit der originalen Wandbespannung und der „Blaue Salon“ im originalen Grundriss erhalten geblieben. Im Außenraum blieb aus der Erbauungsphase nur das Kuhhaus von 1730 und die Kornscheune von 1745 bestehen. Zu den weiteren Gebäuden aus der Zeit ab 1720 konnte die Recherche keine Hinweise liefern. | |||
Angefangen bei der [ | Angefangen bei der [https://www.wikidata.org/wiki/Q64228 Herzogin von Kendal, Melusine von der Schulenburg] (1667–1743), über die Familie von [[wikidata:Q64228|Reichsgraf Cuno Josua von Bülow]] (1697–1766) hin zu [https://www.wikidata.org/wiki/Q2588695 General Wulf Heinrich von Baudissin auf Kronburg] (1671–1748) und [https://www.wikidata.org/wiki/Q1685567 Jean Henri Desmecières auf Quarnbek] (1687–1778)<ref>In der Literaturgeschichte wurde Desmecières als »Deichgraf Hauke Hein« in Theodor Fontanes Novelle »Der Schimmelreiter« beschrieben. | ||
</ref> <ref>Vgl. Gerkens 1960, S. 1. | |||
</ref> weiter zu [https://www.wikidata.org/wiki/Q11136929 Detlef von Reventlow] (1712–1783) und [https://www.wikidata.org/wiki/Q186652 Graf Friedrich von Reventlow] (1755–1828) waren diese Adligen die Besitzer von Emkendorf im 18. Jahrhundert. | |||
Bis auf die Familie von Reventlow, lebten sie nicht oder nur zeitweise auf Emkendorf. Das Gut war in dieser Zeit ein reines Wirtschaftsgut und wurde durch Verwalter oder Pächter in Abwesenheit der Besitzer betrieben. Durch Verschuldung, Todesfälle und Erbfälle geriet der Ausbau von Gut Emkendorf immer wieder ins Stocken. Jeder Besitzer hinterließ nur Teilbaustellen, die nicht fertiggestellt wurden. Die ursprüngliche reiche Ausstattung der Innenräume wurde in großen Teilen vernichtet. Einige Möbel wurden nach der klassizistischen Überformung des Herrenhauses in den Depots des [https://www.wikidata.org/wiki/Q39695701 Museums für Kunst und Kulturgeschichte Schloss Gottorf] in Schleswig eingelagert und konnten so gerettet werden. | |||
Auch in der Literaturgeschichte wurde Emkendorf bekannt: [https://www.wikidata.org/wiki/Q1685567 Graf Jean Henri Desmecières] wurde als Berater und „echter Deichgraf“ neben dem Bauernmathematiker [https://www.wikidata.org/wiki/Q20645 Hans Momsen] (1735–1811) für [https://www.wikidata.org/wiki/Q26993 Theodor Storms] Novelle [https://www.wikidata.org/wiki/Q895730 „Der Schimmelreiter“] um die Geschichte des [https://www.wikidata.org/wiki/Q56258099 „Deichgrafen Hauke Haien“] herangezogen. Desmecières galt im 18. Jahrhundert vor allem an der Nordseeküste als Erbauer und Entwickler wichtiger Deichanlagen und nutzte Emkendorf ebenfalls nur als Wirtschaftsgut. | |||
Am Ende des 18. Jahrhunderts war schließlich der [https://www.wikidata.org/wiki/Q1337922 „Emkendorfer Kreis“] ein besonderer literarischer Salon in einem Herrenhaus auf dem Land in Schleswig-Holstein. Dichter, Schriftsteller, Philosophen und Theologen besuchten Emkendorf. Durch die Verbindung zur Kieler Universität fand auch ein Austausch von Professoren und Naturwissenschaftlern statt. So reisten unter anderem [https://www.wikidata.org/wiki/Q154367 Friedrich Gottlieb Klopstock] (1724–1803), [https://www.wikidata.org/wiki/Q77338 Matthias Claudius] (1740–1815), [https://www.wikidata.org/wiki/Q123918 Johann Caspar Lavater] (1741–1801), [https://www.wikidata.org/wiki/Q215931 Heinrich Christian Boie] (1744–1806), [https://www.wikidata.org/wiki/Q213737 Friedrich Leopold von Stolberg-Stolberg] (1750–1819) und [https://www.wikidata.org/wiki/Q186652 Général de la Fayette] (1757–1834) vor allem zur Ehefrau von [https://www.wikidata.org/wiki/Q1460291 Friedrich Karl von Reventlow] (1755–1828), [https://www.wikidata.org/wiki/Q1457063 Juliane Friedericke von Reventlow] (1762–1816), die als Julia auch in der Literatur auftauchte. Sie organisierte Theaterstücke und Lesungen mit französischer und englischer Literatur im „Blauen Salon“ des Herrenhauses, welcher als [https://www.wikidata.org/wiki/Q1800684 „Liebhabertheater“] ausgebaut wurde. Mit ihrem Tod 1816 endete auch dieser besondere „Debattier-Kreis“. | |||
|[[Datei:Gut_Emkendorf.jpg|mini|Abb. 1 Gut Emkendorf, Foto: Julia Jauch, Bildrechte: Gutsverwaltung Emkendorf, HHZO, Julia Jauch]][[Datei:Linden_-und_Kastanienallee_Emkendorf.jpeg|mini|Abb. 2 Linden -und Kastanienallee in Emkendorf, Foto: Julia Jauch]] | |||
|} | |} | ||
<references /> | |||
<div> | |||
Aktuelle Version vom 25. Mai 2025, 13:01 Uhr
- 01. Einleitung
- 02. Forschungsstand
- 03. Geschichte der Anlage vor dem 18. Jahrhundert
- 04. Überblick zur Anlage
- 05. Wirtschaftlicher Kontext
- 06. Besitzverhältnisse im 18. Jahrhundert
- 07. Herrenhaus: Baugeschichte und Architektur
- 08. Innenräume im 18. Jahrhundert
- 09. Garten und Park im 18. Jahrhundert
- 10. Der Park im 20. Jahrhundert
- 11. Wirtschaftsgebäude aus dem 18. Jahrhundert
- 12. Wirtschaftsgebäude ab dem 19. Jahrhundert
- 13. Salonkultur um 1800 auf Emkendorf - Der Emkendorfer Kreis
- 14. Historische Ereignisse ab dem 17. Jahrhundert in Schleswig Holstein die Emkendorf betreffen
- 15. Überblickender Teil zur Geschichte nach dem 18. Jahrhundert bis in die Gegenwart die Emkendorf betreffen
- 16. Messkampagne 2023
- 17. Quellen- und Literaturverzeichnis
|
An der alten Handelsstraße zwischen Kiel und Rendsburg, mitten in der Region Westensee, liegt in einem Tal das bedeutende adelige Gut Emkendorf (Abb. 1). Einst eine Quadratmeile umfassend, war es das größte Gut der Herzogtümer Schleswig und Holstein.[1] Über eine Linden- und Kastanienallee (Abb. 2), welche von Detlev von Reventlow (1712–1783), einem der adeligen Bewohner, gegen Ende des 18. Jahrhunderts gepflanzt wurde, gelangte man, mit einem scharfen Winkel abbiegend von der Straße, in die Gutsanlage. Ab 1800 dann über einen aufgeschütteten Damm zum Herrenhaus. Vorher erreichte man das Gutsareal über einen Anfahrtsweg von der Seite aus Nortorf her. Das Dorf Emkendorf wurde als „Imekenthorp“ schon 1190 in alten Urkunden erwähnt [2] und gehörte zu verschiedenen „Mottenanlagen“ (Burganlagen) der Ritter von Westensee. Durch Pest und Viehseuchen wurde das Dorf jedoch noch vor 1615 vernichtet. Es bestand lange Zeit nur das Gut mit seinen Wirtschaftsgebäuden, in denen die Bediensteten wohnten und arbeiteten. Erst in der Neuzeit gruppierten sich wieder Häuser um das Gut und bildeten das „neue Dorf“ Emkendorf. Im 18. Jahrhundert prägten viele Besitzerwechsel die Bau- und Gutsgeschichte. Emkendorf war als Gut in den für den Herrenhausbau entscheidenden Jahrzehnten verpachtet oder wurde von einem weit entfernten anderen Gut aus verwaltet. Der Entschluss und Plan für Emkendorf, ein seiner Gutsgröße entsprechendes Herrenhaus zu bauen, wurde zu einer Zeit gefasst, als das Gut nicht langfristig einem Besitzer gehörte, sondern als „Kapitalanlageobjekt“ angesehen wurde. Erst sechs Jahrzehnte nach dem Planungszeitpunkt sollte das Herrenhaus als Dauerwohnsitz dienen. Der Ausbau des Herrenhauses wurde nie richtig fertiggestellt. Infolge von Geldmangel liefen die geplanten äußeren und inneren Umgestaltungen nicht gleich, sondern dauerten viele Jahre. Die Jahrzehnte, in denen nicht weitergebaut wurde, ließen das Haus altern und vieles an der Bausubstanz wurde bereits vor Fertigstellung wieder marode. Die vier Gutsbesitzerfamilien, die im 18. Jahrhundert Emkendorf besaßen, gehörten niederen bis höheren Adelskreisen an und standen überwiegend in dänischen und deutschen Staatsdiensten. Ihre Berufe, Herkunft oder Verbindungen in die Adelskreise von England, Dänemark und Hannover erklären auch, warum die große Gutsanlage in Emkendorf von ihnen erworben, vererbt oder als Geschenk übereignet werden konnte. Bis heute besteht das Herrenhaus und das Gutsareal, wie es unter der Familie Reventlow ab 1786 umgebaut wurde. Aus der Erbauungszeit um 1730 sind im Innenraum nur die barocke Stuckdecke über der klassizistisch eingezogenen Decke, der „Rote Salon“ mit der originalen Wandbespannung und der „Blaue Salon“ im originalen Grundriss erhalten geblieben. Im Außenraum blieb aus der Erbauungsphase nur das Kuhhaus von 1730 und die Kornscheune von 1745 bestehen. Zu den weiteren Gebäuden aus der Zeit ab 1720 konnte die Recherche keine Hinweise liefern.
Angefangen bei der Herzogin von Kendal, Melusine von der Schulenburg (1667–1743), über die Familie von Reichsgraf Cuno Josua von Bülow (1697–1766) hin zu General Wulf Heinrich von Baudissin auf Kronburg (1671–1748) und Jean Henri Desmecières auf Quarnbek (1687–1778)[3] [4] weiter zu Detlef von Reventlow (1712–1783) und Graf Friedrich von Reventlow (1755–1828) waren diese Adligen die Besitzer von Emkendorf im 18. Jahrhundert. Bis auf die Familie von Reventlow, lebten sie nicht oder nur zeitweise auf Emkendorf. Das Gut war in dieser Zeit ein reines Wirtschaftsgut und wurde durch Verwalter oder Pächter in Abwesenheit der Besitzer betrieben. Durch Verschuldung, Todesfälle und Erbfälle geriet der Ausbau von Gut Emkendorf immer wieder ins Stocken. Jeder Besitzer hinterließ nur Teilbaustellen, die nicht fertiggestellt wurden. Die ursprüngliche reiche Ausstattung der Innenräume wurde in großen Teilen vernichtet. Einige Möbel wurden nach der klassizistischen Überformung des Herrenhauses in den Depots des Museums für Kunst und Kulturgeschichte Schloss Gottorf in Schleswig eingelagert und konnten so gerettet werden. Auch in der Literaturgeschichte wurde Emkendorf bekannt: Graf Jean Henri Desmecières wurde als Berater und „echter Deichgraf“ neben dem Bauernmathematiker Hans Momsen (1735–1811) für Theodor Storms Novelle „Der Schimmelreiter“ um die Geschichte des „Deichgrafen Hauke Haien“ herangezogen. Desmecières galt im 18. Jahrhundert vor allem an der Nordseeküste als Erbauer und Entwickler wichtiger Deichanlagen und nutzte Emkendorf ebenfalls nur als Wirtschaftsgut. Am Ende des 18. Jahrhunderts war schließlich der „Emkendorfer Kreis“ ein besonderer literarischer Salon in einem Herrenhaus auf dem Land in Schleswig-Holstein. Dichter, Schriftsteller, Philosophen und Theologen besuchten Emkendorf. Durch die Verbindung zur Kieler Universität fand auch ein Austausch von Professoren und Naturwissenschaftlern statt. So reisten unter anderem Friedrich Gottlieb Klopstock (1724–1803), Matthias Claudius (1740–1815), Johann Caspar Lavater (1741–1801), Heinrich Christian Boie (1744–1806), Friedrich Leopold von Stolberg-Stolberg (1750–1819) und Général de la Fayette (1757–1834) vor allem zur Ehefrau von Friedrich Karl von Reventlow (1755–1828), Juliane Friedericke von Reventlow (1762–1816), die als Julia auch in der Literatur auftauchte. Sie organisierte Theaterstücke und Lesungen mit französischer und englischer Literatur im „Blauen Salon“ des Herrenhauses, welcher als „Liebhabertheater“ ausgebaut wurde. Mit ihrem Tod 1816 endete auch dieser besondere „Debattier-Kreis“. |