Stargordt (Starogard Lobeski)/10. Wirtschaftsgebäude: Unterschied zwischen den Versionen

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Version vom 13. Februar 2025, 14:56 Uhr

Über die Wirtschaft haben wir die erste Quelle um 1777 in den Reiseberichten von Bernoulli. Er schreibt: „…Stargordt, dessen Feldmark zwar weitläufig, der Boden aber an einigen Orten schlecht und sandig, und nebst wenig Wiesewachs, höchstens nur im Mittelalter bestund.“[1] So fand Adrian von Borcke also eine wenig vielversprechende Lage seines Gutes vor. Auf seinem Land befanden sich 13 Bauern, „welche Tagtäglich mit einem Knecht, einem Gespann und einer magd zu Dienste gehen; item einen Cossäthen[2], welcher die Woche zwei Tage mit einem Gespann und täglich mit einem Handdienste zum Hof kommt“.[3] Graf Borcke, war ja, das darf man nicht vergessen, nicht so ganz freiwillig nach Stargordt gekommen, nachdem er am Hofe Friedrichs II. in Ungnade gefallen war.[4] Das merk man hin und wieder auch, wenn man in seinen Beschreibungen der „Stargordt’schen Wirthschaft“ schreibt: „die Rega (Fluß) könnte von einer grösseren Wichtigkeit seyn, man schmieret uns auch das Maul mit der Hoffnung, daß sie Schiffbar gemacht werden soll, die Sache ist möglich, und die Stadt Treptow ist die einzige, so zum Kornhandel gelegen ist, wenn dessen Hafen mit einer Bagatelle in Stand gesetzet wird. Allein es ist zu vermuten, dass Nebenabsichten dieses vereiteln werden: denn es ist ausgemacht, daß ein Fluch auf Pommern liege, welcher Alles und selbst die größten angewendeten Summen Geldes zu Wasser machet.“ Die Frustration, die aus diesen Zeilen spricht ist sicher nicht nur der Qualität der Böden geschuldet.

Die Feldmark ist jedoch weitläufig, der Boden meistens guter Mittelacker, Wiesen gibt es wenige und bestehen aus wenig sattem Grasarten, Holz gibt es viel, jedoch meistens schwer erreichbar. Es gab 700 Schafe, die als „gut“ bewertet wurden.[5]

Um all diese Missstände zu beseitigen, verwandelte sich der Offizier Graf Heinrich Adrian von Borcke zum Landwirt. Er eignete sich theoretisches und praktisches Wissen über Ackerbau und Viehzucht an und versetzte sich damit in die Lage, den Stargordter Gutsbetrieb auf Vordermann zu bringen. Zunächst wurde ein neues Vorwerk angelegt. Brachliegende Felder wurden urbar gemacht, ein Pächterhaus, ein Viehstall sowie zwei Scheunen gebaut.[6] Außerdem wurden Kleefelder angelegt um die Viehwirtschaft zu verbessern. Der Bestand entwickelte sich dadurch von 36 auf 170. Bernoulli berichtet bei seinem Besuch Stargordts 1778 von den üppigen Klee- und Roggenfeldern.[7] Das Vorwerk erweiterte sich von Jahr zu Jahr. Ausführlich berichtet Graf Borcke in seiner „Wirthschaft“ und legt Listen und Tabellen der Felderwirtschaft vor und berichtet vom Mergeln, welches die Böden fruchtbarer machte.

Außerdem legte Graf Borcke 23 Familienwohnungen an, da die Bevölkerung um 170 Köpfe gewachsen war.

Zur Scheune schreibt Bernoulli in seinen Reiseberichten „die Ziegelscheune ist wegen ihrer wohlfeilen und dauerhaften Bauart zu bemerken. Der General hatte, wie er diese bauete, vorher Schiffsholz schlagen lassen, von welchem Ihm starke eichene Stücke übrig geblieben waren; diese ließ er in die Erde setzen und scharf abschärfen; darauf wurden die Sparren aufgesetzet und gut mit Sturmbändern befestiget…Inwändig längst der Scheune sind eine Art Leitern eingesetzt, worauf die Dachsteine trocknen. Dieses Gebäude,…, so leicht gebaut es auch scheinen möge, hat seit 11 Jahren gewaltigen Stürmen widerstanden, und liefert auf jede Brand 18000 Mauer- und 10000 Dachziegel ohne die Pfannen.“[8]

Außerdem berichtet Bernoulli von der Hexelmühle und die Kleescheune. Erbaut wurde sie vom Mühlenbaumeister Reinhard für 130 „Thaler“.[9] Das Räderwerk kam von Landsberg an der Warte und kostete 30 Reichstaler. 700 Pfund Eisen wurden verarbeitet. Das Mühlenholz war aus den hiesigen Forsten. Fertiggestellt wurde alles in sechs Wochen. Durch die neuen Maschinen konnte man neuartige Fütterungsmethoden für das Vieh entwickeln, Klee und Hafer konnten nun getrennt sortiert werden. Die Schafzucht bereitete Graf Borcke weiterhin Verdrus. Jahr für Jahr wurde der Ertrag schlechter, so dass er sich entschied, die übrig gebliebenen 600 Schafe (1778) an den Schäfer zu verpachten.

Das Vorwerk bestand aus dem Haus des Pächters inklusive Molkerei. Dieses Holzhäuschen, welches von Graf Borcke in seiner „Wirthschaft“ beschrieben wird, hat wohl nicht lange überdauert, es gibt weder Zeichnungen noch spätere Fotografien. Alleine es soll zweistöckig und mit Treppenturm gewesen sein. Direkt daneben befand sich der Kuhstall und zwei „mittelmäßige“ kleinere Scheunen. Außerdem befand sich hier die Ziegelei, die aus einem Haus, einem gemauerten Ziegel-Ofen, Behälter für Kalk und der Ziegelscheune bestand.

Neu entstanden war auch hier die Schmiede, die zuvor eine halbe Meile entfernt gelegen hatte, mehrere kleine Häuschen für Angestellte sowie die Bäckerei. Ackerpferde gab es zwei im Stall sowie 27 Ochsen. Das Gesinde des Gutes bestand aus dem Ersten Hofmeister, einem Ochsen-Jungen, dem Zweiten Hofmeister, dem Hofknecht, diversen Bauernknechten sowie zwei Vieh-Mädchen. Jedem Kuh-Pächter wurde außerdem eine Magd und ein Viehbursche zugestanden. Um das Geflügel kümmerten sich „arme“ Kinder.[10] Nicht zur Wirtschaft wurden Kutscher und Stallleute der Vollblut-Pferde gerechnet, die auf den Paddocks nahe des Schlosses auf der westlichen Seite des Hauses gehalten wurden.

Borcke unterstützte die Gründung der „Pommerschen Landschaft“, einer Bodenkreditanstalt auf genossenschaftlicher Grundlage. Nach mühevoller Vorarbeit wurden im Jahre 1780 Vertreter des landesbesitzenden pommerschen Adels wegen der Genehmigung vom König empfangen und Graf Borcke wurde als gewählter „Landschaftlicher Deputationsmarschall“ Sprecher der Delegation. Pfandbriefe konnten mit einem niedrigen Zinssatz von vier Prozent ausgegeben werden.

Im 19. Jahrhundert traf die Landwirtschaft auf völlig neue Konkurrenz: Produzenten aus Übersee waren auf einmal in der Lage, Getreide billiger anzubieten als einheimische Erzeuger. Die USA hatte nach dem Bürgerkrieg zu einem wirtschaftlichen Aufschwung angesetzt, und als entscheidender Standortvorteil bot sich dort eine fast unbegrenzt große, rationell zu bewirtschaftende Nutzfläche. Als weiterer entscheidender Faktor kam hinzu, dass die Preise für Überseetransporte zu jener Zeit drastisch gesunken waren. Damit waren amerikanische Produzenten in der Lage, ihr ohnehin billigeres Getreide für deutlich weniger Geld beispielsweise von Chicago nach Rotterdam und von dort rheinaufwärts nach Mannheim zu transportieren, als dies vom preußischen Königsberg (Kattowitz) aus der Fall war.[11] Von dort aus fielen nämlich schon entsprechende Kosten allein für den aufwändigen Landtransport bis etwa nach Kassel an.

Erstes Ziel der deutschen Getreideproduzenten war es daher nun, den Gesetzen der Marktwirtschaft zu folgen und mit geringerem Aufwand höheren Ertrag zu erzielen. Zur Produktionssteigerung boten die neu entstandenen Technologien ein ganzes Reservoir an Mitteln. Die Kunstdüngung, die man bereits seit den späten 1850er Jahren betrieb, wurde intensiviert, um den Ertrag des Bodens zu steigern.

Hinzu kam der verstärkte Einsatz der Mechanisierung, wie sie durch die Neuerungen auf dem Gebiet der Motorentechnik möglich geworden waren.[12] Viele Betriebe stellten sich von der Getreideproduktion auf die Viehhaltung um, war Fleisch doch ein immer stärker gefragtes Nahrungsmittel, das zudem – in Ermangelung ausreichender Kühl- und Konservierungstechniken -nicht von der überseeischen Konkurrenz angeboten werden konnte.[13]

All diese Prozesse hatten natürlich Auswirkungen auf die Struktur der einzelnen Betriebe, denn die gesteigerte Produktivität in der Landwirtschaft senkte, nicht anders als heute, den Bedarf der Arbeitskräfte. Demgegenüber stieg der Arbeitskräftebedarf in der Industrie stetig an, wobei dort seit den 1880er Jahren auch ein Anstieg der Löhne zu verzeichnen war. All dies ließ die Stadt ökonomisch reizvoller erscheinen, das insbesondere in den Gebieten östlich der Elbe der einfachen Bevölkerung nur ein kärgliches Einkommen bot. Außerdem war das Dorfleben in den ostelbischen Gebieten noch immer abhängig von der Person des Grundherrn. Die Landflucht war um die Zeit der Jahrhundertwende schließlich so stark geworden, dass kaum ein landwirtschaftlicher Betrieb mehr ohne Saisonarbeiter aus Polen auskam, die sich für geringe Löhne auf dem Hof verdingten.[14]

Die Strukturkrise der Agrarwirtschaft führte allerdings nicht dazu, dass man in Hinterpommern Ackerbau und Viehzucht aufgab. Zum einen war in einer Welt, in der die Weltwirtschaft erst entstand, die Verlässlichkeit ausländischer Warenlieferungen durchaus noch nicht gesichert, womit auch ein politisches Interesse am Weiterbestand der Betriebe vorhanden war. Hinzu kommt, dass der weitaus größte Teil der ostelbischen Betriebe Großbetriebe waren, die in der Hand eines einzelnen, zumeist adligen Besitzers lagen. Die Eigner dieser Güter hatten zu ihrem Land, zum Teil über Jahrhunderte hinweg vererbter Familienbesitz, natürlich ein ganz anderes Verhältnis als ein Pachtbauer.

  1. Vgl. Bernoulli, S. 64.
  2. Kossäten, auch Hintersassen, Hintersiedler, Kleinhäusler, waren Landleute, welche ohne geschlossene Güter, nur mit einem Haus, Garten oder einzelnen Feldern „angesässen“ waren.
  3. Vgl. Borcke, Heinrich Adrian, Beschreibung, S. 4.
  4. Siehe oben.
  5. Borcke, H.A., S. 5.
  6. Borcke, H.A., S. 6.
  7. Bernoulli, S. 67.
  8. Bernoulli, S. 68.
  9. Bernoulli, S. 68.
  10. Borcke, S. 23.
  11. Bulge, Europa an der Schwelle eines neuen Jahrhunderts, S. 22.
  12. Vgl. Bulge, ebenda, S. 23.
  13. Vgl. Bulge, S. 23.
  14. Vgl. Bulge, S. 24.